Fibromyalgie – nicht die Hoffnung aufgeben!

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Als Ärztin muss ich einen ständigen Balanceakt vollführen: Man erwartet von mir, dass ich einfühlsam und warmherzig bin. Nehme ich aber zu viel Anteil am Schicksal meiner Patienten, verliere ich selber meine Gelassenheit und Lebensfreude. Darum ist ein gewisser Abstand oft wichtig. „Es geht mir ganz schlecht!“, klagt heute eine Patientin. „Überall habe ich Schmerzen, mein ganzer Rücken ist verspannt! Sie brauchen meine Schultern nur berühren, dann schmerzt es schon. Ich weiß gar nicht, wie ich so leben soll.“

Seit Jahren höre ich diese Klagen von der Frau, die etwas jünger ist, als ich selber bin. Sie leidet unter Fibromyalgie. Gefangen in einer lieblosen Ehe, lebt sie in steter Langeweile. Ihre Arbeitsstelle hat sie längst verloren, ihre Kinder sind schon ausgezogen. Jeder Tag wird von Schmerzen bestimmt. Wir haben vieles versucht: Gymnastik, Wärmetherapie, Schmerztabletten, Entspannungsübungen. Ich schaue mir die Schultern an. „Aua!“, klagt die Patientin, als ich sanft einen der empfindlichen Stellen berühre.

„Ich nehme jetzt auch schon seit zwei Wochen Mittel gegen Depressionen“, berichtet sie mir dann. „Aber was sollen die nützen, wenn ich eigentlich ein ganz neues Leben anfangen sollte? Ich fühle mich jedenfalls überhaupt nicht besser!“ Manchmal stelle ich mir vor, ich hätte einen Schrank, aus dem ich ein neues, frisch gebügeltes Leben ziehen könnte. Ich gebe jedoch die Hoffnung nicht auf: „Sie haben es schwer“, bestätige ich. „Aber Sie haben doch bald das Treffen mit der Selbsthilfegruppe, die ich Ihnen empfohlen habe?“. Die Miene meiner Patientin hellt sich auf. „Ich habe schon mit einer Teilnehmerin telefoniert“, sagt sie. „Es tut wirklich gut, wenn man weiß, dass man mit seinem Kummer nicht alleine ist! Außerdem habe ich jetzt schon ein paar gute Tipps bekommen.“

Das hört sich doch gar nicht schlecht an. „In zwei Wochen werden auch die Antidepressiva Wirkung zeigen“, erinnere ich noch. „Obendrein habe ich gelesen, dass man Botox in diese schmerzenden Stellen spritzen kann. Das soll recht wirksam sein. Sie sehen, unser Arsenal von Möglichkeiten ist noch lange nicht erschöpft“. Jetzt sehe ich das erste Lächeln meiner Patientin. „Dann sollte ich die Hoffnung nicht aufgeben“, sagt sie. Das sie das nicht tut, sehe ich auf ihrem Weg zur Tür. Sie sieht sie schon ein bisschen weniger angespannt aus.

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Foto © SENTELLO Fotolia
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