„Wir brauchen auch künftig weitere Innovationen“

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Verbesserte Heilungschancen und verlängerte Lebenszeiten bei guter Lebensqualität sind inzwischen bei vielen Tumorarten zur Realität geworden. Leider gilt das noch nicht für alle Krebserkrankungen, sodass noch ein großer Bedarf für die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien besteht, erläutert Professor Dr. Christof von Kalle, Leiter des Nationalen Centrums für Tumorerkankungen in Heidelberg.

Herr Professor von Kalle, gibt es Neue­rungen in der Krebsmedizin, die für die Patienten relevant sind?

Professor Dr. Christof von Kalle

Professor Dr. Christof von Kalle

Es gibt bei verschiedenen Krebserkran­kungen erhebliche Fortschritte. Das betrifft zum einen die Entwicklung neuer Behand­lungsoptionen wie die Krebsimmuntherapie und die Therapie mit sogenannten CAR-T-Zel­len – beides Strategien, die das körpereigene Immunsystem darin unterstützen, bösartige Zellen im Körper aufzuspüren und zu elimi­nieren. Es sind außerdem sehr viele neue Substanzen im Bereich der zielgerichteten Therapie in jüngster Zeit zugelassen worden, weitere Wirkstoffe sind noch in klinischer Erprobung. Auch in diesem Bereich haben wir Fortschritte erzielt und es zeichnen sich weitere ab. Von den neuen Therapiemöglich­keiten profitieren unter anderem schon Men­schen mit Lungen-, Haut- oder Blasenkrebs.

Welchen Nutzen haben die Patienten?

Das ist von Tumor zu Tumor unterschiedlich. Krebspatienten haben heutzutage deutlich bessere Heilungschancen als früher. Wenn eine Heilung nicht möglich ist, können sie in aller Regel mit ihrer Erkrankung länger und mit besserer Lebensqualität leben. Die erzielten Fortschritte tragen wesentlich zu dem zu beobachtenden Rückgang der Krebssterblichkeit bei, wenngleich man be­denken muss, dass dieser ein Zusammen­spiel verschiedener Faktoren sein dürfte – wie beispielsweise der intensiven Bemü­hungen um die Vorbeugung und auch um eine Frühdiagnose der Erkrankungen.

Gibt es vor diesem Hintergrund noch weiteren Handlungsbedarf in der Krebs­forschung?

Ja, ohne Zweifel. Wir können noch längst nicht alle Tumorerkrankungen heilen und solange das so ist, haben wir einen erheb­lichen Bedarf für weitere Innovationen. Die Onkologie ist deshalb ein sehr forschungsintensiver Bereich der modernen Medizin. Wir hoffen dabei, neue Substanzen und neue Strategien entwickeln zu können, mit denen sich die verschiedenen Krebserkrankungen noch effektiver behandeln und im besten Fall sogar heilen lassen. Derzeit erreichen wir bei etwa zwei Drittel der Tumorpatienten eine Heilung, wobei die Chancen hierfür am besten sind, wenn der Tumor früh entdeckt wird und operativ entfernt werden kann. Bei einem Drittel der Krebspatienten sind wir lei­der noch nicht so weit, eine vollständige Hei­lung erwirken zu können. Für diese Patienten brauchen wir dringend weitere Fortschritte.

Die Krebsmedizin steht oft in der Kritik und gilt als kostenintensiv bei vermeint­lich wenig Erfolgen. Ist das berechtigt?

Es erkrankt etwa die Hälfte aller Bundesbür­ger irgendwann im Leben an Krebs und ein Viertel stirbt an der Erkrankung. Zur Diagnos­tik und Therapie bösartiger Tumore haben wir beispielsweise im Jahr 2008 insgesamt 6,1 Prozent aller Kosten im Gesundheitswe­sen aufgewendet. Im Jahr 2015 beliefen sich die Ausgaben auf 5,9 Prozent, sodass von der vielzitierten Kostenspirale wohl kaum die Rede sein kann. Ich halte die allgemeine Kostendiskussion in der Onkologie deshalb in weiten Bereichen für verfehlt. Den Kosten steht zudem die Notwendigkeit gegenüber, auch künftig weitere neue Medikamente zu entwickeln, um die Chancen der Patienten weiterhin verbessern zu können. Dazu ist je­doch eine intensive Forschung erforderlich. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Arzneimittelforschung per se ein sehr kosten­intensiver Bereich ist, zumal nur wenige der zahlreichen untersuchten Substanzen tat­sächlich zur Behandlung zugelassen werden.

Welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft?

Wir versuchen in der Forschung, die Krank­heitsmechanismen noch genauer zu analysie­ren, um im individuellen Fall die Ursache der Fehlsteuerung des Zellwachstums dingfest machen zu können. Je besser uns das gelingt, umso eher werden wir innovative, an die in­dividuelle Situation angepasste Behandlungs­strategien entwickeln und zur Anwendung bringen können. Auch in dieser Entwicklung liegt das Potenzial für weitere patientenrele­vante Fortschritte in der Tumortherapie.

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Fotos © Roche
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