Schwindel – Fachbegriff Vertigo – ist ein sehr häufiges Symptom, dem verschiedenste Ursachen zugrunde liegen können. Die meisten Ursachen sind harmloser Natur – dennoch sollten Sie bei sehr starkem oder immer wieder auftretendem Schwindel einen Arzt aufsuchen, damit dieser ernsthafte Erkrankungen ausschließen kann. Einen Überblick über verschiedene Formen von Schwindel sowie über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten erhalten Sie hier.
Schwindel ist nicht gleich Schwindel
Schwindel zählt nach Kopfschmerzen zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Während Schwindelattacken bei jungen Menschen jedoch relativ selten – etwa bei jedem Sechsten – auftreten, sind ab einem Alter von 80 Jahren mehr als 30 Prozent von regelmäßigem Schwindel betroffen. Mediziner unterscheiden zwischen verschiedenen Formen von Schwindel – allen voran zwischen Drehschwindel, Schwankschwindel und Liftschwindel.
- Drehschwindel: Umwelt scheint sich um den Betroffenen zu drehen
- Schwankschwindel: Betroffene haben das Gefühl, auf unsicherem Boden zu wanken
- Liftschwindel: Betroffene haben das Gefühl, zu fallen oder in einem Fahrstuhl schnell nach oben zu fahren
Darüber hinaus gibt es ein Phänomen, das von Ärzten als Pseudo-Schwindel bezeichnet wird. Dieses Symptom geht vorrangig mit Benommenheit einher, die Umgebung scheint sich aber nicht – wie bei echtem Schwindel – zu bewegen.
Wie entsteht Schwindel?
Schwindel entsteht meist dann, wenn das Gehirn falsche oder widersprüchliche Signale von den Sinnesorganen (Augen, Ohren, Tastsinn etc.) erhält. In manchen Fällen ist das Gehirn auch nicht in der Lage, die ankommenden Informationen korrekt zu verarbeiten. Diese Art von Schwindel, die direkt im Kopf entsteht, wird als vestibulärer Schwindel bezeichnet. Verantwortlich sind meist Erkrankungen des Gleichgewichtssystems, beispielsweise des Gleichgewichtsnervs oder des Innenohrs (peripherer vestibulärer Schwindel). Liegt die Ursache für den Schwindel im Kleinhirn, im Großhirn oder im Hirnstamm, liegt ein zentraler vestibulärer Schwindel vor. Im Gegensatz dazu arbeitet das Gleichgewichtssystem beim nicht-vestibulären Schwindel einwandfrei. Die Auslöser sind stattdessen in anderen Körperregionen zu finden – beispielsweise in der Halswirbelsäule, im Herzen oder in der Blutzusammensetzung.
Häufige Ursachen für vestibulären Schwindel
1. BPPV: Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
Der Benigne paroxysmale Lagerungsschwindel ist vor allem bei älteren Menschen weit verbreitet. Es handelt sich um eine harmlose Form von vestibulärem Schwindel, die durch kleine Kristalle im Innenohr verursacht werden. Diese sogenannten Otolithen wandern in das mit Flüssigkeit gefüllte Gleichgewichtsorgan. Bei einer Veränderung der Körperhaltung bewegen sie sich und reizen die Sinneszellen an den Wänden des Gleichgewichtsorgans. In der Folge entsteht Schwindel, häufig kombiniert mit Übelkeit.
2. Vestibulopathie
Die Vestibulopathie ist eine Erkrankung des Innenohrs, die typischerweise mit Schwankschwindel und verschwommenem Sehen einhergeht. Der Schwindel tritt anfallsartig auf und dauert wenige Minuten bis hin zu mehreren Tagen. Das Risiko für Vestibulopathie steigt unter anderem durch Medikamente (Antibiotika, Gentamycin) sowie durch eine Meningis (Hirnhautentzündung).
3. Morbus Menière
Bei Morbus Menière handelt es sich um wiederkehrenden Drehschwindel, der häufig von einem einseitigen Tinnitus (Ohrgeräuschen) sowie von einer einseitigen Hörminderung begleitet wird. Die Anfälle vergehen meist nach einigen Minuten, können jedoch auch bis zu 24 Stunden anhalten. Morbus Menière tritt meist zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr erstmalig auf, wohingegen Kinder nur sehr selten betroffen sind.
4. Vestibularisparoxysmie
Die Vestibularisparoxysmie ist eine Erkrankung, die vorrangig mit anfallartigem Schwank- oder Drehschwindel einhergeht. Die Schwindelattacken dauern in der Regel nur Sekunden bis wenige Minuten, können jedoch zu einer Stand- und Gangunsicherheit führen. Vestibularisparoxysmie wird häufig durch bestimmte Kopfhaltungen ausgelöst – was die genauen Ursachen für diese Form von Schwindel sind, konnte wissenschaftlich jedoch noch nicht geklärt werden.
5. Durchblutungsstörungen im Gehirn
Zu Durchblutungsstörungen im Gehirn kommt es beispielsweise durch einen Schlaganfall. Betroffene leiden in der Regel unter schwerwiegenden Symptomen wie Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Gefühlsstörungen, Schluckstörungen sowie unter gestörten Bewegungsabläufen und Störungen der Sprechmotorik (Dysarthrie).
6. Vestibuläre Migräne
Vestibuläre Migräne, auch Basilis-Migräne genannt, ist eine Sonderform der Migräne. Typische Symptome sind: Schmerzen im Hinterkopf, Schwindelanfälle und Sehstörungen. Wodurch vestibuläre Migräne verursacht wird, ist bislang unklar.
7. Reisekrankheit
Die Reisekrankheit (Kinetose) ist ein weit verbreitetes Phänomen. Vor allem bei längeren Auto- und Busfahrten leiden die Betroffenen unter Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen. Gleiches gilt bei Turbulenzen im Flugzeug sowie bei Schifffahrten mit starkem Wellengang. Bei Kinetose ist das Gehirn mit einer großen Anzahl an eintreffenden Reizen konfrontiert, die es nicht korrekt zuordnen kann. In de Folge entsteht Schwindel.
8. Altersschwindel
Bei den Personen über 60 leiden mehr als 25 Prozent hin und wieder unter Schwindelattacken. In der Personengruppe ab 75 sind sogar mehr als 50 Prozent betroffen. Lässt sich keine konkrete Ursache für den Schwindel ausfindig machen, stellt der Arzt die Diagnose Altersschwindel. Dieser wird vermutlich durch altersbedingte Durchblutungsstörungen im Gehirn sowie durch eine Verzögerung der Informationsverarbeitung im Innenohr ausgelöst.
Mögliche Ursachen für nicht-vestibulären Schwindel
1. HWS-Syndrom (Halswirbelsäulen-Syndrom)
Auch Verschleißerscheinungen, Entzündungen und Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule können zu Schwindel führen – häufig einhergehend mit Kopfschmerzen, Schulter- und Nackenschmerzen und Ohrgeräuschen (Tinnitus). Mediziner sprechen in diesem Fall von einem Halswirbelsäulen-Syndrom. Werden die Erkrankungen an der Halswirbelsäule behandelt, lässt in der Regel auch der Schwindel rasch nach.
2. Niedriger oder hoher Blutdruck
Sowohl niedriger als auch zu hoher Blutdruck können zu Schwindelattacken führen. Typisch für niedrigen Blutdruck ist beispielsweise die orthostatische Dysregulation, die sich vor allem bei schnellem Aufstehen bemerkbar macht: Das Blut sackt in die Beine ab, sodass das Gehirn kurzzeitig zu wenig Blut und Sauerstoff erhält.
3. Weitere Auslöser im Überblick
Neben den genannten Ursachen können auch folgende Erkrankungen und Faktoren Schwindelattacken auslösen:
- Blutarmut
- Herzschwäche
- Herzrhythmusstörungen
- Unterzucker
- Medikamente
- Alkohol, Drogen
- eine ungewohnte oder schlecht eingestellte Brille
Schwindel ohne Ursache: somatoformer Schwindel
Findet der Arzt trotz umfangreicher Untersuchungen keinen Auslöser für den Schwindel, liegt ein somatoformer Schwindel vor – ein Schwindel ohne Ursache. Dieser ist häufig Begleiterscheinung einer psychischen Erkrankung wie zum Beispiel einer Depression oder Angststörung. Weitere typische Symptome sind Luftnot und allgemeine Antriebslosigkeit. Die häufigste Form des somatoformen Schwindels ist der phobische Schwankschwindel. Er tritt vorrangig im Alter zwischen 30 und 50 auf und ist meist an bestimmte Situationen gebunden (große Menschenmengen, Fahren im Aufzug, Überqueren einer Brücke etc.). Phobischer Schwankschwindel wird daher auch als psychogener Schwindel bezeichnet.
Wann zum Arzt?
Schwindel hat in der Regel eine harmlose Ursache. In folgenden Fällen sollten Sie dennoch einen Arzt zurate ziehen:
- bei sehr stark ausgeprägtem Schwindel
- bei wiederholt auftretendem Schwindel ohne erkennbare Ursache
- bei Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Benommenheit, Sehstörungen, Atemnot, Fieber
- bei Schwindel, der durch bestimmte Kopfbewegungen ausgelöst wird
Was macht der Arzt?
Der Arzt beschäftigt sich zunächst mit der Krankengeschichte des Patienten (Anamnese). Er fragt beispielsweise nach bekannten Vorerkrankungen, Medikamenten sowie nach Art und Häufigkeit des Schwindels. Auch mögliche Begleitsymptome sollten keinesfalls verschwiegen werden, um dem Arzt die Diagnose zu erleichtern.
Es folgt eine gründliche körperliche Untersuchung: Der Arzt misst den Puls, den Blutdruck, hört das Herz und die Lunge ab und ordnet bei einem unregelmäßigen Puls ein EKG (Elektrokardiogramm) an. Typische Tests bei Schwindel sind zudem die Kipptischuntersuchung, mit deren Hilfe der Arzt die lagebedingte Blutdruckanpassung überprüfen kann, sowie die Nystagmus-Untersuchung. Beim Nystagmus handelt es sich um unwillkürliche Augenbewegungen, die bei Personen ohne Schwindel nur zum Ausgleich von Bewegungen vorgenommen werden. Bei Schwindel-Patienten treten diese Augenbewegungen hingegen auch in Ruhe auf. Die Nystagmus-Untersuchung erfolgt in der Regel mithilfe einer Spezialbrille. Weitere mögliche Untersuchungen bei Schwindel sind:
- Gleichgewichtsprüfungen (Unterberger-Tretversuch, Romberg-Test)
- Hörtest
- Langzeit-Blutdruckmessung
- Blutbild
- Herzultraschall
- Röntgenaufnahmen (zum Beispiel der Halswirbelsäule)
- bei Frauen: Schwangerschaftstest
Wie wird Schwindel therapiert?
Die Therapie von Schwindel richtet sich immer nach der Ursache. Liegt eine Grunderkrankung vor (beispielsweise hoher Blutdruck), wird diese behandelt – in der Regel lässt dann auch der Schwindel nach. Bei einigen Erkrankungen besteht zudem die Möglichkeit, den Schwindel mit Medikamenten zu therapieren. Bei der Menière-Krankheit wird Betroffenen häufig der Wirkstoff Gentamicin ins Innenohr gespritzt, während bei der Vestibularparoxysmie das Epilepsie-Medikament Carbamazepin zum Einsatz kommt. Gegen die Reisekrankheit helfen sogenannte Antivertiginosa, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind.
Patienten, die unter Lagerungsschwindel leiden, erhalten häufig eine Physiotherapie, die es ihnen erlaubt, ihren Gleichgewichtssinn zu trainieren. Auch bestimmte Lagerungsmanöver, die den Schwindel im akuten Fall schnell lindern, können hier erlernt werden. Älteren Menschen, die unter Altersschwindel leiden, ist oftmals bereits mit einem Gehstock oder einem Rollator geholfen, während bei phobischem Schwankschwindel eine Verhaltenstherapie (häufig kombiniert mit Antidepressiva) angeraten ist.
Lässt sich Schwindel vorbeugen?
Sofern Schwindel nicht im Zuge einer Erkrankung auftritt, ist es durchaus möglich, Schwindelattacken vorzubeugen. Die besten Tipps erhalten Sie hier:
1. Achten Sie darauf, ausreichend zu trinken – auch dann, wenn Sie keinen Durst verspüren. Flüssigkeitsmangel erhöht das Risiko für Schwindelanfälle.
2. Essen Sie regelmäßig, damit Ihr Blutzuckerspiegel stabil bleibt.
3. Diabetiker sollten mehrmals täglich ihren Blutzucker kontrollieren, um bei Niedrigzucker schnell entgegenwirken zu können.
4. Achten Sie auf ausreichend Schlaf und versuchen Sie, Stress zu reduzieren.
5. Hören Sie auf zu rauchen und verzichten Sie weitgehend auf Alkohol.
6. Wenn Sie zu niedrigen oder zu hohen Blutdruck haben, nehmen Sie regelmäßig Messungen vor. Ist Ihr Blutdruck zu hoch, versuchen Sie, zur Ruhe zu kommen und sich zu entspannen. Ist er zu niedrig, laufen Sie ein wenig umher oder machen Sie einige sportliche Übungen, um den Kreislauf anzukurbeln.
7. Sollten Sie unter der Reisekrankheit leiden, blicken Sie bei akutem Schwindel geradeaus und fixieren Sie den Horizont. In der Regel lässt die Reizüberflutung dann schnell nach und das Gehirn kann die ankommenden Signale korrekt auswerten.