Beim Stichwort „Misteltherapie“ denken die meisten an den Zaubertrank des Druiden Miraculix, der magische Kräfte verleiht. Doch im wahren Leben hat die Misteltherapie nichts mit Zauberei zu tun, sie hat heute vielmehr ihren festen Platz in der begleitenden Therapie von Tumorpatienten. Der Schweizer Facharzt für Allgemeinmedizin, Phytotherapeut und Präsident der SSAAMP Dr. Simon Feldhaus in Baar wendet die Misteltherapie im klinischen Alltag an und erläutert uns die Einsatzmöglichkeiten.
Herr Dr. Feldhaus, Sie praktizieren seit vielen Jahren ganzheitliche Krebsbehandlung. Welchen Stellenwert hat dabei die Misteltherapie?
Gerade in der ganzheitlichen Krebsbehandlung ist es wichtig verschiedene Therapieoptionen zu nutzen. Hier ist die Misteltherapie absoluter Basis-Bestandteil einer seriösen Therapie. Sicher 90% aller meiner onkologischen Patienten werden auch mit der Misteltherapie behandelt. Es gibt hervorragende wissenschaftliche Arbeiten und die Wirkung ist durch Studien belegt und wird durch die eigene Erfahrung bestätigt. Die Misteltherapie lässt sich optimal mit praktisch allen anderen Verfahren in der integrativen ganzheitlichen Krebstherapie kombinieren.
Wann und bei welchen Krebsarten setzen Sie die Therapie ein?
Letztendlich bei allen Krebsarten, bevorzugt bei den sogenannten soliden Krebsformen. Vorsichtig muss man bei gewissen hämatologischen Formen und bei intrazerebralen Formen sein, da braucht es sehr viel Erfahrung in der Anwendung.
Wichtig ist es, für jeden individuellen Fall die geeignete Form der Misteltherapie zu wählen. Daher ist es extrem wichtig, dass die Misteltherapie von einer Fachperson verschrieben und die Therapie von dieser begleitet wird!
Wie profitieren Patienten von einer Misteltherapie?
Es gibt verschiedene Bereiche: Die Mistel wirkt einerseits gegen die Krebszellen direkt. Dann führt sie bei richtiger Anwendung zu einer markanten Verbesserung der Aktivität der sog. natürlichen Killerzellen, also den Spezialkräften des menschlichen Immunsystems gegen Krebs.
Zudem kann die Mistel tumorbedingte Schmerzen deutlich reduzieren und somit beispielsweise die Dosierung von Opiaten reduzieren helfen. Ein besonderer Schwerpunkt ist die in der Regel deutlich verbesserte Lebensqualität der Patienten, auch im Endstadium der Krankheit. Nebenwirkungen speziell der Chemotherapie werden minimiert, Ängste positiv beeinflusst und auch Übelkeit lässt nach.
Die Misteltherapie ist primär kein Ersatz für schulmedizinisch onkologische Behandlungen, sondern eine optimale Ergänzung der Therapie zur Verbesserung des Behandlungsergebnisses. Grundsätzlich kann man also von einer wirklich ganzheitlichen Wirkung sprechen, und da ist die Mistel einzigartig.
Misteln wachsen ja auf verschiedenen Bäumen. Gibt es dadurch auch verschiedene Wirkungen?
Allerdings. Je nach dem sog. Wirtsbaum enthält der Mistelextrakt unterschiedliche Bestandteile. Daher kann man die Mistel an die Krebsform anpassen oder auch an das Immunsystem des Menschen. In unserem Zentrum testen wir beispielsweise anhand einer Blutuntersuchung, welche Mistelsorte am besten einen aktivierenden Effekt auf die natürlichen Killerzellen eines Patienten hat und behandeln somit sehr individuell.
Was kann der Patient selber für sich tun?
Das Schöne an der Misteltherapie ist, dass der Patient sie selbst durchführt: eine Injektion in die Bauchhaut, dreimal wöchentlich. Dadurch wird er aktiv in die Behandlung einbezogen und kommt aus der sonst rein passiven „Duldungsphase“ heraus. Das wird von praktisch allen Patienten sehr geschätzt und trägt sicher zu einer positiven Wendung im ganzen Bewältigungsprozess bei: „Ich kann auch etwas zur Behandlung beitragen und muss nicht einfach nur alles über mich ergehen lassen.“
Natürlich gehören dann auch allgemeine Life-Style Maßnahmen wie regelmäßige körperliche Aktivität, vernünftige Ernährung usw. dazu.
Vielen Dank, Herr Dr. Feldhaus, für diesen interessanten Einblick in die Misteltherapie!