Knapp drei Millionen Deutsche nutzen verschreibungspflichtige Medikamente, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder um Stress abzubauen. Die Anzahl der Arbeitnehmer, die entsprechende Substanzen schon zum Doping missbraucht haben, ist in den vergangenen sechs Jahren stark gestiegen – von 4,7 auf knapp 7 Prozent. Vor allem Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten oder unsicheren Jobs gehören zu den Risikogruppen für den Medikamentenmissbrauch.
Für eine repräsentative Studie wurde untersucht, ob und wie Erwerbstätige ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen. Hierfür wurden Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten analysiert und zusätzlich mehr als 5.000 Berufstätige im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Demnach haben fast 7 Prozent der Berufstätigen, also knapp drei Millionen Menschen, das sogenannte Hirndoping wenigstens schon einmal praktiziert.
Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer von bis zu zwölf Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung haben damit fünf Millionen Erwerbstätige schon einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente zum Hirndoping eingenommen.
Wunderpillen gibt es nicht
Insgesamt werden zum Hirndoping am häufigsten Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe (60,6 Prozent) sowie Medikamente gegen Depressionen (34 Prozent) eingenommen. Etwa jeder achte Doper schluckt Tabletten gegen starke Tagesmüdigkeit. 11,1 Prozent nehmen Betablocker. Mehr als jeder Zweite bekommt für die entsprechenden Medikamente ein Rezept vom Arzt. Jeder Siebte erhält Tabletten von Freunden, Bekannten oder Familienangehörigen, jeder Zwölfte bestellt sie ohne Rezept im Internet.
Experten der Psychiatrie und Psychotherapie warnen: „Der Bezug aus dem World Wide Web ist riskant. Dort gibt es viele Medikamentenfälschungen, die ohne Rezept abgegeben werden und der Gesundheit erheblich schaden können.“ Die Experten dämpfen zudem Erwartungen an das pharmakologische Hirndoping: „Eine Wunderpille gibt es nicht. Oft zeigen die Medikamente nur kurzfristige und minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Dem gegenüber stehen hohe gesundheitliche Risiken, wie körperliche Nebenwirkungen bis hin zur Persönlichkeitsveränderung und Abhängigkeit.“ Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen seien nicht selten – und mögliche Langzeitfolgen dagegen noch völlig unklar.