Die Diagnose Typ-1-Diabetes (T1D) trifft viele Familien plötzlich und unerwartet. Dabei lässt sich das Frühstadium eines T1D bereits im Kindesalter durch den Nachweis von mindestens zwei Autoantikörpern feststellen, noch bevor die eigentlichen Symptome auftreten. Diese Früherkennung ist also eine dringende Aufgabe für Kinderärzte und Diabetologen.
Prof. Dr. med. Peter Achenbach erklärte im Rahmen des 58. Kongresses der DDG: „Durch eine Untersuchung auf diabetesassoziierte Autoantikörper können Personen mit einem Typ-1-Diabetes im Frühstadium identifiziert werden – und das schon Jahre vor den ersten Krankheitsanzeichen. Wenn dies der Fall sein sollte, können bereits vor der klinischen Manifestation der Erkrankung wichtige Maßnahmen eingeleitet, betroffene Familien entsprechend geschult und schwere Stoffwechselentgleisungen verhindert werden.“
Konsequenz einer zu späten Diagnosestellung
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die mit einer Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhans’schen Inseln und damit absolutem Insulinmangel sowie lebenslanger Substitutionstherapie verbunden ist. Die Zahl der Kinder, die von der Erkrankung betroffen sind, steigt jedes Jahr weiter an. Die Diagnose kommt oft überraschend, denn etwa 90 Prozent der Patient*innen haben keinen an T1D erkrankten Verwandten ersten Grades.
Besonders dramatisch sind die Fälle von Kindern, die bei Diabetesmanifestation mit einer sog. diabetischen Ketoazidose (DKA) ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil die ersten Symptome unbemerkt geblieben sind oder fehlinterpretiert wurden. Mit jedem Tag, an dem ein T1D nicht erkannt und damit unbehandelt bleibt, steigt das Risiko für die lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung. Eine manifeste DKA kann langfristig mit neurologischen Beeinträchtigungen sowie einer dauerhaft verschlechterten Stoffwechsellage verbunden sein.
Stadien der Früherkennung
Ein präsymptomatischer T1D lässt sich durch den Nachweis von mindestens zwei Insel-Autoantikörpern diagnostizieren. Diese Autoantikörper können bereits Jahre vor dem Auftreten der ersten Erkrankungssymptome im Blut festgestellt werden.
Im Stadium 1 sind weder klinische Symptome noch erhöhte Blutzuckerwerte bei den Betroffenen festzustellen. Erkennen lässt sich das Anfangsstadium durch den Nachweis von zwei oder mehr mit T1D assoziierten Autoantikörpern. Liegen mindestens zwei Autoantikörper vor, entwickeln nahezu 100 Prozent der Betroffenen innerhalb von 20 Jahren einen klinischen T1D.
Das Stadium 2 ist gekennzeichnet durch eine schnell absinkende funktionelle Betazellmasse, was sich auf den Glukosestoffwechsel in Form einer zunehmenden Blutzuckerveränderung auswirkt.
Im Stadium 3, wenn die Masse insulinproduzierender Betazellen auf ein geringes Niveau gesunken ist, treten klinische Symptome auf und Hyperglykämie ist messbar. Diese Einstufung ermöglicht eine individuelle Verlaufskontrolle und Behandlung der Betroffenen.
Fr1da-Studie
In der sog. Fr1da-Studie wurden über 190.000 Kinder auf Insel-Autoantikörper untersucht. Die Studie bietet diese Früherkennungsuntersuchung für Kinder im Alter von 2 bis 10 Jahren an.
Kinder, bei denen im Rahmen der Fr1da-Studie vor dem Auftreten von Symptomen ein T1D diagnostiziert worden war, zeigten bei klinischer Manifestation im Stadium 3 eine mildere Erkrankung als Kinder ohne vorherige Untersuchung auf Insel-Autoantikörper. Weiterer Vorteil einer Früh-Diagnose ist, dass dadurch das Stresserleben sowie das Risiko einer Traumatisierung von Betroffenen zu Erkrankungsbeginn reduziert werden kann – dies ermöglicht eine verbesserte Lebensqualität.
Eine kürzlich veröffentlichte Hochrechnung eines theoretisch im Jahre 2024 begonnenen Screenings in Deutschland über die nächsten 20 Jahre zeigt, dass langfristig jährlich annähernd 21.000 Kinder und Jugendliche mit einem T1D im Frühstadium diagnostiziert würden.