Weltweit wird jährlich bei mehr als 14 Millionen Menschen die Diagnose „Krebs“ gestellt. Die Krebshäufigkeit steigt dabei stetig weiter. Es wird nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschätzt, dass sie sich bis 2030 wohl noch verdoppeln wird.
Parallel zur steigenden Krebshäufigkeit vollziehen sich allerdings auch erhebliche Fortschritte in der Krebsmedizin. So wird bei vielen Krebsformen der Hintergrund der Tumorentstehung besser verstanden, die Mediziner können die Veränderungen im Erbgut, die das krankhafte Zellwachstum auslösen, im Einzelfall oft schon genau analysieren. Das bessere Verständnis der, wie die Forscher sagen, „Tumorbiologie“ ist der Schlüssel für eine zielgerichtete, sich an den individuell vorliegenden Veränderungen orientierende Therapie.
Krebs ist nicht gleich Krebs
In diesem Zusammenhang wird oft auch von der „personalisierten Krebstherapie“ gesprochen. Damit ist gemeint, dass Krebspatienten trotz gleich erscheinender Erkrankung teilweise unterschiedliche Behandlungen erhalten. Entscheidend ist nicht nur, in welchem Organ sich der Tumor bildet, sondern auch, welche Signalwege verändert sind und durch welche Mechanismen das Tumorwachstum angetrieben wird.
Die Forscher suchen dabei nach Markern für die Veränderung, den sogenannten Biomarkern. Lassen sich solche Biomarker nachweisen, so haben die Krebsmediziner ein konkretes Ziel, um in die Fehlsteuerung einzugreifen und das Tumorwachstum zu unterbinden. Die maßgeschneiderte Tumordiagnostik ist damit eine wichtige Grundlage für eine personalisierte, auf die individuelle Situation angepasste Therapie.
HER2 – Durchbruch bei Brustkrebs
Jede Brustkrebspatientin sollte ihren HER2-Status kennen. Der Rezeptor HER2 ist ein Eiweiß- bzw. Proteinbaustein auf der Zelloberfläche. Diese Eiweißstruktur bindet Wachstumsfaktoren und übermittelt Wachstumssignale von der Zelloberfläche ins Zellinnere. Eine normale Zelle besitzt nur eine geringe Menge an HER2-Rezeptoren. Bei manchen Brusttumoren ist aber die Zahl dieser Rezeptoren auf den Krebszellen erhöht. Durch Botenstoffe wird dann ein erhöhter Wachstumsreiz auf die Zellen ausgeübt, wodurch der Tumor an Größe zunimmt.
Etwa 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen haben Tumoren, deren Zellen eine erhöhte Anzahl von HER2-Rezeptoren (HER2-positiver Brustkrebs) aufweisen. Eine spezielle Antikörpertherapie greift gezielt Zellen mit HER2-Rezeptoren an und führt dazu, dass diese Zellen absterben. Deshalb ist es sinnvoll, schon im Rahmen der Diagnose eine HER2-Bestimmung durchzuführen.
Die Entdeckung des Biomarkers HER2 gilt als ein Meilenstein in der Krebsforschung und hat in gewisser Weise die Krebsmedizin revolutioniert.
Zielgerichtet auch bei Lungenkrebs
Erfolgreich ist die Biomarker-Forschung derzeit auch bei Lungenkrebs. Inzwischen können bei der Mehrheit der untersuchten Tumore Veränderungen auf molekularer Ebene nachgewiesen werden, die ursächlich für das Tumorwachstum sind.
Bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs sucht man durch Testung speziell nach Veränderungen in den am häufigsten veränderten Genen:
- Epidermal-Growth-Factor-Receptor-Gen (EGFR-Gen)
- Anaplastische Lymphomkinase-Gen (ALK-Gen)
- Proto-Onkogen-Tyrosin-Protein-Kinase-Gen (ROS1-Gen)
Denn in vielen Fällen trägt eine genetische Veränderung in diesen Genen zum Wachstum des Tumors bei. Hier setzen auch die spezialisierten Therapien an. Es wurden und werden bereits Wirkstoffe entwickelt, die sich gezielt gegen die im Einzelfall vorliegenden krankhaften Veränderungen richten. Es ist also auch für Patienten mit einem sogenannten Bronchialkarzinom wichtig, bei ihrem behandelnden Arzt nachzufragen, ob eine entsprechende Testung vorgenommen wurde, wie das Ergebnis ausgefallen ist und welche Tumorform somit konkret vorliegt.
Analoge Entwicklungen wie bei Brust- und Lungenkrebs vollziehen sich derzeit ebenso bei verschiedenen anderen Krebsformen. Die Biomarker-Forschung hat somit der Onkologie zu einem wissenschaftlichen Durchbruch verholfen, wobei die modere Krebsmedizin zunehmend auf das Tandem aus diagnostischem Test und Therapeutikum setzt.
Anstatt wie früher zu versuchen, kleine Verbesserungen in der Wirkung von Medikamenten bei allen Patienten zu erreichen, geht es heutzutage vor allem darum, präzise Angriffspunkte gegen den Tumor zu identifizieren und zielgerichtete Therapien zu entwickeln. Ziel ist es, bei Patienten, die entsprechende Tumor-Biomarker aufweisen, die Überlebens- und sogar die Heilungschancen erheblich zu verbessern.
Mit freundlicher Unterstützung der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen