Beim Neurologen nachgefragt: PPMS im Fokus

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Frau Doktor Petereit Fachärztin für Neurologie
Priv.-Doz. Dr. med. Hela-F. Petereit ist Fachärztin für Neurologie, Neurologische Labormedizin und Neurologische Intensivmedizin in der Praxis „Rechts vom Rhein“ in Köln-Mülheim.

Was dahinter steckt und was Betroffene tun können

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Nervenerkrankung mit verschiedenen Verlaufsformen. Die primär progrediente Multiple Sklerose, kurz PPMS, ist die seltenste und schwerste Form. Etwa 10-15 % der MS-Patienten sind von PPMS betroffen. Was hinter der PPMS steckt und was Betroffene selbst tun können, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Hela-F. Petereit im Interview.

 

Was ist eine PPMS und wie unterscheidet sie sich von der schubförmigen MS?

Frau PD Dr. Petereit: PPMS steht für primär progredient, also von Beginn an schleichend voranschreitende Multiple Sklerose. Bei dieser Verlaufsform kann man oft nicht die typischen MS-Schübe beobachten, sondern bestimmte Körperfunktionen verschlechtern sich von Anfang an, mal schneller und mal langsamer. Der Verlust von Gehfähigkeit und Handfunktion, aber auch schnelles Ermüden (Fatigue) und abnehmende Konzentration beeinträchtigen Patienten am meisten. Die PPMS-Erstdiagnose wird häufig erst in einem höheren Lebensalter, zwischen 40-50 Jahren, gestellt.

Was sind die Herausforderungen beim Krankheitsbild der PPMS?

Dr. Petereit: Wenn das Immunsystem das Nervensystem angreift und die Nervenzellhüllen zerstört, entstehen akute Symptome bzw. die MS-Schübe, die bei den schubförmigen Verläufen gut zu beobachten sind. Bei der PPMS ist das nicht so häufig der Fall. Aufgrund der ausbleibenden Schübe kann man die Diagnose nicht so schnell stellen, sondern man muss mindestens 1 Jahre eine zunehmende Verschlechterung beobachten.

Wie wird PPMS heutzutage behandelt und was kann die Therapie bewirken?

Dr. Petereit:  Das Idealziel wäre, den schleichenden Krankheitsverlauf zu stoppen. Ein realistisches Therapieziel ist heute, dass wir die schleichende Verschlechterung zumindest verlangsamen können. Seit kurzem gibt es auch für PPMS-Patienten Behandlungsmöglichkeiten, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen können. D.h. wir können damit das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und dem Patienten Zeit schenken.

Was können PPMS-Patienten tun, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen?

Dr. Petereit: Auch ohne Beschwerden sollte man regelmäßige Kontrolltermine beim Neurologen wahrnehmen, um den Erfolg der MS-Therapie fortlaufend zu messen bzw. zu erfassen. Der Neurologe ist hier wie ein Verbündeter, der für den Patienten das Erreichen des Therapieziels im Auge behält. Auch Selbsthilfegruppen können sehr viel Rückhalt bieten. Man ist unter Gleichgesinnten, die ähnliche Sorgen haben und es kann enorm entlasten, seinen Kummer mit anderen Betroffenen zu besprechen und Lösungsstrategien auszutauschen. Auch eine gesunde Lebensweise, wie z.B. ausreichend Bewegung oder Sport an der frischen Luft und eine ausgewogene Ernährung, kann positive Auswirkungen haben. Man darf den günstigen Effekt, den diese Maßnahmen auf den Verlauf der MS-Erkrankung haben, nicht unterschätzen.

Mehr zum Thema PPMS und ein ausführliches Interview zu den Behandlungsmöglichkeiten bei dieser Verlaufsform finden Sie auf www.trotz-ms.de.

Trotz der PPMS-Erkrankung stellt sich Heike immer wieder neuen Herausforderungen

Eine Betroffene erzählt, wie sie der Krankheit gegenübertritt

Bild einer Betroffenen von PPMSAnfang 2012 stand die heute 57-jährige Heike mitten im Leben. Sie lebte mit ihrem Mann und ihrer Tochter im eigenen Haus, ging viel joggen und reiste gerne. Als Heike aus unerklärlichen Gründen immer schlechter laufen konnte, saß der Schreck tief. Mit Verdacht auf eine Nervenerkrankung wurde sie in eine Spezialklinik geschickt. Dann kam die Gewissheit: Sie leidet an primär progredienter Multipler Sklerose (PPMS) – einer seltenen und schweren Verlaufsform von Multipler Sklerose (MS).

„Es war eine harte Zeit, als ich die Diagnose bekam. Auch weil es damals keine richtigen Behandlungsoptionen gab.“ Bei Heike zeigt sich die Erkrankung in Gangproblemen. Sie hat ihre Bewegungen nicht mehr vollständig unter Kontrolle. „Es ist schwer, mit anderen mitzuhalten. Ans Joggen und Reisen war erstmal nicht mehr zu denken.“

PPMS als Wendepunkt

„Mich hat die PPMS gezwungen, auf mich zu achten. Heute gehe regelmäßig zum Neurologen. Die richtigen MS-Medikamente und auch eine vernünftige Lebensweise sind sehr wichtig. Ich vertraue aber auch auf mich selbst“, erzählt Heike. So beschloss sie ihre Ehe zu beenden, in der sie schon lange nicht mehr glücklich war. „Ich fing noch einmal ganz von vorne an und zog mit meiner Tochter in eine Mietwohnung. Mathilde ist mir eine große Hilfe.“ Auch mit ihrem neuen Partner ist Heike überglücklich und traut sich auch wieder auf Reisen. „Vorletztes Jahr habe ich meine Tochter auf ihrem Auslandsaufenthalt in China besucht. Das war aufregend.“

Heike zieht heute rückblickend auch etwas Positives aus ihrer Erkrankung. Sie hat gelernt, mit der PPMS umzugehen. „Meine positiven Erfahrungen möchte ich auch mit anderen teilen und ihnen Mut machen.“ Heike schreibt regelmäßig auf dem Blog Starke Worte auf www.trotz-ms.de Beiträge, wie sie der PPMS gegenübertritt und gibt Tipps – z.B. zum Thema Reisen mit MS.

Für regelmäßige Alltagstipps besuchen Sie auch den Instagram- und Facebook-Kanal (@trotz_ms).

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Bildnachweise
Beitragsbild: © 5V8A0705 Paar unterwegs / © Heike Urban / © Roche

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