Bei der Krankheit Morbus Gaucher handelt es sich um eine Erbkrankheit, die zu den lysosomalen Speicherkrankheiten zählt und neben organischen Gesundheitsstörungen vor allem an der Milz und Leber auch Skelettdeformierungen und Wachstumsstörungen hervorrufen kann. Benannt nach dem französischen Dermatologen Philippe Gaucher (1854-1918), der das Krankheitsbild erstmals 1882 an einer Frau feststellte, wird die Krankheit auch als ‚Gaucher’sche Krankheit‘ bezeichnet.
Sie ist zudem die am häufigsten der etwa 50 bisher identifizierten lysosomalen Speicherkrankheiten und betrifft etwa 1 von 50.000 Menschen. Dabei handelt es sich bei den lysosomalen Speicherkrankheiten um Störungen im Enzymstoffwechsel. Denn Enzyme sorgen in den Lysosomen von eukariotischen Zellen als Zellorganellen für den Abbau von Stoffwechselprodukten. Wenn diese aber nicht oder nicht ausreichend vorhanden sind, treten Probleme bei diversen Stoffwechselvorgängen auf. Bei Morbus Gaucher kommt es dabei zu einem Mangel an dem Eiweiß Beta-Glukozerebrosidase, wordurch Glukozerebroside als Abfallprodukte beim Abbau von roten und weißen Blutkörperchen nicht abgebaut werden können und sich somit in den Lysosomen ablagern. Wenn diese Ablagerungen zu groß werden, schwellen die betroffenen Zellen zu dicken Speicherzellen an und werden nunmehr als ‚Gaucher-Zellen‘ bezeichnet. Diese reichern sich dann wiederrum in unterschiedlichen Organen wie insbesondere der Leber und Milz sowie im Knochenmark an. Je nach Schwere des Eiweißmangels kann es dadurch zu leichten bis schweren und sogar lebensbedrohlichen Gesundheitsstörungen kommen.
Während die Krankheit früher in drei Typen eingeteilt wurde, wird ihre Erscheinungsform heute hauptsächlich in die nicht-neuronopathische (früher als Typ 1 bezeichnet) und neuronopathische Form (als frühere Typen 2 (akute Erkrankung) und 3 (chronische Erkrankung)) eingeteilt.
Symptome und Verlauf der Gaucher’schen Krankheit
Welche Symptome stehen denn beim Morbus Gaucher im Vordergrund?
Erste Symptome im frühen Stadium und eher mittleren Beschwerden sind beispielsweise:
- Abgeschlagenheit,
- verstärktes Nasenbluten,
- ein leicht auffälliges Blutbild (Stichwort Thrombozyten leicht erniedrigt),
- starkes Völlegefühl auf Grund vergrößerter Leber oder Milz,
- Knochenschmerzen im Kindesalter, die nicht Wachstumsschmerzen sind,
- frühe Hüftprobleme im Erwachsenenalter
Weitere Morbus Gaucher Symptome
Die Symptomatik von Morbus Gaucher zeigt sich vor allem in einer erhöhten Blutungsneigung, Blutarmut, Infektionsanfälligkeit sowie Knochendeformierungen. Letztere kann für Betroffene besonders schwerwiegende und im Alltag behindernde Probleme bedeuten, denn durch die sich kontinuierlich ausbreitenden Gaucher-Zellen werden die Knochenmarkszellen allmählich verdrängt, wodurch sich die Knochenmasse zurückbilden, die Knochendichte verringern, die Knochenstruktur verändern und schließlich vor allem Knochengewebe abbauen und sogar absterben kann. Dies kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, wobei nicht zuletzt die Schmerzproblematik einen zusätzlichen Belastungsfaktor darstellt. Durch die Betroffenheit des Knochengerüstes häufen sich bei Patienten Frakturen und Infektionen, welche oftmals direkt die Gelenke tangieren.
Darüber hinaus zählen auch Beschwerden im Oberbauch, die sich als Schmerzen durch die vergrößerten Organe Milz und Leber zeigen können, und Funktionsstörungen der Leber und Milz sowie Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Leistungsminderung und Kurzatmigkeit in Folge der durch Leber und Milz zurückgedrängten Lunge zu den typischen Symptomen bei Morbus Gaucher.
Aber auch eine hohe Anfälligkeit für blaue Flecke als Zeichen einer Störung bei der Blutgerinnung, Wachstumsstörungen vor allem im Kindesalter, eine verzögert eintretende Pubertät sowie Folgeerscheinungen einer Beteiligung des Nervensystems als neuronopathischem Typ in der Form von epileptischen Anfälle oder Probleme der Sehfähigkeit können auf eine Betroffenheit hindeuten.
Schließlich wirken sich die somatischen Beschwerden der Gaucher’schen Krankheit oftmals auch auf die Psyche der Betroffenen aus, da die Beeinträchtigungen nicht nur einen akuten Belastungszustand, sondern auch langfristige Änderungen in der gesamten Lebensplanung und Lebensführung bedingen.
Quelle: Modifziert nach Kaplan et al, The Clinical and Demographic Characteristics of Nonneuronopathic Gaucher Disease in 887 Children at Diagnosis. 2006 American Medical Association
Verlauf der Krankheit
Der Verlauf der Krankheit ist schließlich sehr individuell. So treten die Symptome der nicht-neuronopathischen Form, die bei etwa 95% der Betroffenen vorliegt, häufig erst im Erwachsenenalter auf. Hier können bei frühzeitiger Diagnose vielversprechende Therapiemethoden die Beschwerden lindern und somit die Lebenszeit deutlich verlängern. Bei der sehr seltenen Form der neuronopathischen Gaucher’schen Krankheit können durch die Betroffenheit des zentralen Nervensystems jedoch schwere Hirnschäden auftreten, die nicht selten bereits in den ersten Lebensjahren zum Tod der kleinen Patienten führen.
Diagnostik von Morbus Gaucher
Die Diagnostik dieser speziellen Speicherkrankheit gestaltet sich grundsätzlich nicht schwierig, kann aber langwierig sein, da vor allem Beschwerden im Bauch oder die möglichen Symptome im Bereich des Skelettes auch diverse andere Krankheitsbilder ansprechen und die Gaucher’sche Krankheit nicht zuletzt wegen ihrer Seltenheit oftmals erst spät in Betracht gezogen wird. So werden vor allem bei leichten Verlaufsfolgen regelmäßig Blutkrebs, Rheuma oder vor allem bei Kindern sogar einfache Wachstumsschmerzen als die den Symptomen zugrunde liegende Ursachen angenommen. Die Diagnostik von Morbus Gaucher erfolgt somit typischerweise zunächst über eine umfassende Anamnese. Vergrößerungen der Milz und Leber können schließlich mit Ultraschalluntersuchungen eindeutig festgestellt werden und für die maßgebliche fragliche Enzymaktivität beziehungsweise die Beta-Glukozerebrosidase-Aktivität im Blut können die entsprechenden Parameter durch eine Blutuntersuchung durch hierfür spezialisierte Labore schnell erfasst werden. Dabei ist die Enzymaktivität bei Betroffenen im Vergleich zu gesunden Menschen deutlich herabgesetzt.
Zusätzlich wird häufig auch die Untersuchung der DNA als sogenannte Genotypsierung vorgenommen, da dadurch die typischen Veränderungen in der Erbsubstanz analysiert werden können. Hinsichtlich etwaiger Knochenveränderungen werden schließlich auch Knochendichtemessungen vorgenommen und Kernspintomografien durchgeführt, um das Ausmaß der Erkrankung zu erfassen.
Schließlich ist die Diagnose inzwischen bereits auch noch vor der Geburt möglich. So ist durch die Bestimmung der Enzymaktivität von Beta-Glukozerebrosidase in Amnionzellen (Fruchtwasserzellen) und Chorionzottenzellen (Plazentazellen) eine Diagnose bereits vor der Geburt möglich. Diese wird jedoch aufgrund der Seltenheit der Krankheit nicht standardmäßig im Rahmen der pränatalen Frühdiagnostik, sondern nur bei bereits betroffenen Familien oder bei einem anderen entsprechenden Verdacht durchgeführt.
Checkliste Morbus Gaucher
Folgende Checkliste dient Ihnen als Orientierung und Hilfestellung um bei der Diagnose auch an eine mögliche, wenn auch seltene Erkrankung wie den Morbus Gaucher zu denken. Hier downloaden:
Behandlungsmöglichkeiten – Therapieansätze
Enzymersatztherapie als vielversprechende Therapiemaßnahme
Während im Rahmen der Therapie von Morbus Gaucher in früheren Zeiten lediglich Schadensbegrenzung in der Form der Linderung von Beschwerden möglich war, stellt die Enzymersatztherapie als Infusionstherapie heute eine vielversprechende Therapiemaßnahme vor allem im frühen Krankheitsverlauf dar. Diese wurde in den 1990er Jahren entwickelt und zielt im Wesentlichen darauf ab, dem Körper das fehlende Enzym, die Beta- Glukozerebrosidase, zuzuführen. Dieses wird zuvor biotechnologisch hergestellt und dem Patienten per Infusion über das Blut verabreicht. Durch den Ersatz des bei Morbus Gaucher vom Körper selbst nicht oder nicht ausreichend produzierten Enzyms Beta- Glukozerebrosidase werden die Ursachen der Erkrankung direkt behandelt, weshalb die Infusionstherapie – ähnlich wie die Verabreichung von Insulin bei der Diabetes-Krankheit – zu den kausalen Therapien zählt. Da eben jenes Enzym im Körper natürlicherweise aber auch wieder abgebaut wird, muss es regelmäßig zugeführt und die Enzymersatztherapie damit in regelmäßigen Abständen und ein Leben lang wiederholt werden. Dabei richtet sich die Häufigkeit der Therapiedurchführung wiederrum nach dem individuellen Krankheitsstand, mithin Enzymmangel. Sie wird bei den meisten Patienten jedoch in einem Abstand von 14 Tagen in einer Zeit von ein bis zwei Stunden durchgeführt, was für die Betroffenen einen relativ hohen Aufwand bedeutet.
Durch die Enzymersatztherapie kann das Fortschreiten der Erkrankung in der Regel gestoppt werden. Während sich die organischen Veränderungen zurückbilden können, sind die manifestierten Schäden im Knochengerüst zumeist jedoch irreversibel. So kann die Knochendichte zwar wieder zunehmen und können Knochenschmerzen verschwinden. Etwaige bereits bestehende Deformierungen oder die häufig auftretende Zerstörung des Hüftgelenkkopfes können durch die nachträgliche Verabreichung des Beta- Glukozerebrosidase nicht mehr rückgängig gemacht werden. Somit wirkt die Enzymersatztherapie vor allem direkt im Blut und den betroffenen Organen, in dem die Anzahl der roten Blutkörperchen wieder zunimmt und dadurch die Blutarmut verbessert wird. Ebenso können sich die zumeist vergrößerte Leber und Milz wieder verkleinern, da die sich in Zelle abgelagerten Glukozerebroside nach und nach abgebaut werden können und sich damit das Organvolumen verringert.
Eine Verbesserung der körperlichen Beschwerden tritt somit auch nicht sofort, aber innerhalb der ersten Wochen ein. Diese machen sich zunächst durch eine gesteigerte Leistungsfähigkeit und Verbesserung der Blutwerte bemerkbar. Nach einigen Monaten kommt es zumeist zu einer Verkleinerung von Leber und Milz und nach etwa einem Jahr bis anderthalb Jahren zu einer Normalisierung der Blutwerte. Etwa ein Jahr nach Beginn der Enzymersatztherapie beginnt außerdem die Verbesserung der Knochenstruktur, die nach zwei bis drei Jahren schließlich auch mittels einer Kernspintomografie nachweisbar sein sollte. Die Normalisierung der Knochendichte dauert jedoch deutlich länger und kann meist erst nach acht Jahren festgestellt werden. Damit ist die Enzymersatztherapie bei der Gaucher’schen Krankheit eine langwierige Therapie, die zwar relativ kurzfristig erste Erfolge in der Form einer allgemeinen Leistungssteigerung bringt, aufgrund der zumeist jahrelangen Veränderungen in den Organen und der Knochenstruktur jedoch längere Zeit benötigt, um hier Schäden zurückzubilden. Dabei kommt es schließlich stets darauf an, in welchem Alter die Krankheit ausbricht und diagnostiziert wird. So sind manifestierte Schäden, die im Erwachsenenalter erst therapeutisch angegangen werden, deutlich schlechter zu behandeln als eine Schädigung, die bereits im Kindesalter diagnostiziert wird.
Substratreduktionstherapie
Ein weiterer Therapieansatz ist außerdem die Substratreduktionstherapie als orale Therapie, bei der versucht wird, die Entstehung der Glukozerebroside zu hemmen. Damit müssten vom Körper weniger Abfallstoffe abgebaut werden, welche durch die Restmenge der vorhandenen Beta- Glukozerebrosidase noch abgebaut werden könnten. Gegenwärtig wird diese Therapieform jedoch nur angewendet, wenn die Enzymersatztherapie nicht angezeigt ist. Sie Therapieform befindet sich außerdem noch in der Entwicklung, mithin Optimierungsphase, wäre aber für die Betroffenen mit deutlich weniger Aufwand verbunden.
Zusammenfassung
Damit ist Morbus Gaucher eine Krankheit, die das Leben der Betroffenen einerseits durch die körperlichen Schäden nachhaltig beeinträchtigt und sogar zum Tod führen kann, bei einer grundsätzlich unproblematischen frühzeitigen Diagnose zugleich aber auch gut therapierbar ist. So kann sie zwar nicht geheilt werden, doch ihre Folgen können durch eine Enzymersatztherapie eingeschränkt und teilweise rückgängig gemacht werden, sodass viele Betroffene trotz Morbus Gaucher ein normales Leben führen können.