Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der besten ausgestattete weltweit, dennoch bleiben viele Krankheiten aus diversen Gründen im Verborgenen. Dies betrifft vor allem Geisteskrankheiten wie Schizophrenie. Hier vermischt sich durch Einflüsse aus den Medien der Unterhaltungsindustrie gefährliches Halbwissen mit aussagekräftigen Hinweisen, wodurch bei Betroffenen die Unsicherheit wächst. In unserem Ratgeber gewähren wir einen Einblick in das komplexe Feld der gefährlichen Geisteskrankheit, um Ihnen ein Stück weit Sicherheit im unbekannten Terrain Schizophrenie zu geben.
Was ist Schizophrenie?
Der Begriff der ‚Schizophrenie‘ wurde 1911 vom Schweizer Psychiater Eugen Bleuler geprägt. Aus der griechischen Sprache übersetzt bedeutet der Begriff ungefähr „gespaltene Seele“, wodurch der Irrglaube entstanden ist, es handele sich um eine multiple Persönlichkeitsstörung. Dies ist jedoch nicht der Fall! Film und Literatur haben dieses Bildnis zu gerne übernommen. Schizophrenie gehört hingegen zu den Gruppen der Psychosen und ist durch eine Trübung bzw. Veränderung der Realitätswahrnehmung und –beurteilung gekennzeichnet.
Betroffene Patienten leiden an Störungen des Denkens und Fühlens, wodurch sich nicht nur individuelle, sondern auch soziale Einschränkungen ergeben. Das charakteristische Stimmenhören gehört ebenso dazu, wie eine ausgeprägte Paranoia und andere Wahrnehmungssymptome. Für eine Diagnose einer Schizophrenie ist es allerdings angeraten, dass dringend die Expertise eines Facharztes zu Rate gezogen wird.
Diagnose und Symptome
Für die Diagnose von Schizophrenie werden zwei Leitwerke herangezogen: das ‚Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders‚ (abgekürzt DSM-5) sowie die ‚Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme‚ (kurz ICD-10). Während in den USA vorwiegend das DSM-5 herangezogen wird um Schizophrenie zu diagnostizieren, gibt die Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem ICD-10 einen detaillierten Überblick über die möglichen Symptome einer ausgebrochenen Schizophrenie.
Die fünf Merkmale einer Schizophrenie nach DSM-5
Das DSM-5 klassifiziert insgesamt fünf verschiedene Hauptmerkmale zur Erkennung einer ausgeprägten Schizophrenie. Diese gelten als Abweichung von der Norm eines gesunden Menschen und sind somit Indikator für eine Erkrankung. Diese fünf Merkmale sind:
- Wahn: Überzeugung des Patienten, die trotz widerlegender Argumente und Beweise unveränderlich ist (z.b. Größenwahn, Paranoia oder religiöser Wahn
- Halluzinationen: Wahrnehmungsreiz des Patienten, dem keine reale Existenz zugrunde liegt
- Desorganisation des Denkens und der Sprache: Mängel in der Kommunikation (Entgleisung bzw. Sprünge; zusammenhanglose Antworten)
- Gestörte Motorik und Desorganisation des Verhaltens: Störungen des Bewegungsapparats, die den Alltag erschweren
- Negativsymptome: z.B. emotionaler Rückzug, Schlafmangel, Vernachlässigung des Körpers, Willen- und Lustlosigkeit
Eine Diagnose unter DSM-5-Bezug erfolgt, wenn unterschiedliche Kriterien erfüllt werden. So müssen mehrere der genannten Merkmale in einem Abstand von maximal einem Monat zusammenfallen und die Beschwerden über einen Zeitraum von knapp 6 Monaten andauern, sowie damit einhergehend eine Störung des Alltags und der sozialen Kontakte eintreten. Auch die Schwere der Symptome muss natürlich beachtet werden. Psychologen und Psychater können dies einschätzen.
ICD-10 – Symptomgruppen der Krankheit im Überblick
Entgegen des DSM-5, die lediglich in den USA Anwendung findet, klassifiziert das ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation die Symptome der Schizophrenie in mehrere Systemgruppen ein.
Gruppe A: Kontrollverlust der Gedanken (Lautwerdung, Entzug, Ausbreitung)
Gruppe B: Wahnwahrnehmungen und –vorstellungen
Gruppe C: Kommentierende und dialogische Stimmen
Gruppe D: Anhaltender, unrealistischer Wahn
Gruppe E: Halluzinationen der Sinne
Gruppe F: Zerfaserung der Gedanken und Kommunikationsmethoden
Gruppe G: Katatonische Symptome
Gruppe H: Negativsymptome
Gruppe I: Konstante, beobachtbare Veränderung des Verhaltens
Sofern sich aus den Gruppen A bis D innerhalb eines Monats ein eindeutiges Symptom oder aus den Gruppen E bis H zwei Symptome beim Patienten beobachten lassen, ist eine Diagnose mit Schizophrenie nahe liegend. Gruppe I beschreibt einen Faktor, der zusätzlich bei der Unterordnung des Schizophrenia simplex auftritt.
Ursachen, Verlauf und Therapie von Schizophrenie
Auch wenn Männer den Statistiken zufolge früher an Schizophrenie erkranken als Frauen, gibt es keinen bisher bekannten Zusammenhang zwischen Geschlecht und Erkrankung. Weltweit leiden knapp 0,5% der Weltbevölkerung an Schizophrenie leidend. Doch die Ursachen für die Erkrankung geben auch nach Jahren der Forschung neue Rätsel auf.
Ein Konzept sieht die Genetik als Schlüssel zur Ursachenforschung an. Statistisch betrachtet steigt das Risiko auf eine Eigenerkrankung, wenn in der Familie bereits eine Schizophrenie vorliegt. So liegt das Risiko bei bis zu zehn Prozent, wenn ein Eltern- oder Geschwisterteil bereits an Schizophrenie erkrankt sind. Bei Zwillingen steigt dieses Risiko enorm, bei eineiigen Zwillingen liegt es sogar bei 45 Prozent. Wären rein genetische Faktoren für einen Ausbruch der Krankheit verantwortlich, läge diese Zahl weit höher.
Ein anderer Aspekt, der bei der Ursachenforschung betrachtet wird, folgt in jüngerer Zeit aus der Neurobiologie. Bildgebende Verfahren haben aufgezeigt, dass die Physiologie eines von Schizophrenie beeinträchtigten Gehirns von der Norm abweicht. Auch die biochemischen Prozesse zwischen den Nervenzellen verändern sich durch die Krankheit. Doch auch toxische Faktoren wie die Einnahme von Drogen oder Steroiden sowie hormonelle Faktoren können bis heute nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil: Verschiedene Estrogene beispielsweise scheinen Forschungen zufolge einen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit zu haben. Eine Einnahme über einen längeren Zeitraum vermindert zeitweise die Symptome einer Schizophrenie.
Psychosoziale Faktoren – eine populäre Theorie in den 1950er und 60er Jahren – gelten auch als Ursache für Schizophrenie. Entwicklungsdefizite und Vernachlässigungen in der Kindheit können den Verlauf der Krankheit stark beeinflussen und die Anfälligkeit steigern. Eine Früherkennung ist bei Schizophrenie häufig nicht möglich, da oftmals unspezifische Symptome auftreten. Dazu gehören gedrückte und depressive Stimmungen, Ängste, Schlafstörungen, abnehmende Belastbarkeit, Konzentrationsstörungen und verminderter Antrieb sowie sozialer Rückzug. In den ersten Jahren der Erkrankung, dem Vorstadium, kann es daher durchaus sein, dass der Patient oder sein behandelnder Arzt nichts vom Ausmaß seiner Erkrankung ahnt. Fehlende Therapiemaßnahmen und eine Verschlechterung der Symptome sind die Folge.
Verlauf und Therapie der Schizophrenie
Schizophrene verläuft in sogenannten Episoden. Eine solche geht über mehrere Wochen und ist geprägt von immer wiederkehrenden Wahnvorstellungen und Sinnestäuschungen. In einer solchen Episode gilt vor allem eine medikamentöse Behandlung ratsam, um die Symptome zu mildern und den Betroffenen in seinem Alltagsleben zu unterstützen. Psychotherapie und Soziotherapie werden zumeist abseits des eigentlichen Ausbruchs der Schizophrenie eingesetzt. Viele Patienten benötigen diese Formen der Therapie allerdings nicht, weil bereits nach der ersten Episode die Erkrankung in Remission geht und nicht wiederkehrt. Entwickelt sich die Schizophrenie allerdings chronisch weiter, können die Symptome von Episode zu Episode stärker auftreten.
Formen von Schizophrenie
Nicht jede Schizophrenie ist gleich. Die WHO hat in der ‚Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme‚ eine Reihe von Unterarten definiert, die bei einer Erkrankung von Schizophrenie auftreten können. Diese Formen können allerdings aufgrund der unterschiedlichen Symptomatiken von Schizophrenie einen fließenden Übergang haben.
Paranoide/Paraphrene Schizophrenie
Paranoide Schizophrenie ist vorwiegend durch häufige paranoide Wahnvorstellungen gekennzeichnet. Dazu treten auch Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen, vor allem das charakteristische Stimmenhören auf. Andere Symptome wir Stimmungsänderung, Antriebslosigkeit oder Sprachstörungen sind hier eher seltener zu beobachten.
Hebephrene Schizophrenie
Hebephrene Schizophrenie beeinflusst in erster Linie die affektive Wahrnehmung und wird überwiegend bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen diagnostiziert. Eine Steigerung der Antriebslosigkeit wird begleitet von einer Verflachung der Stimmung des Patienten sowie einer Desorganisation des Sprechens und Denkens. Eine soziale Isolation ist die Folge. Wahnvorstellungen und Halluzinationen sind eher seltener.
Katatone Schizophrenie
Bei der katatonen Schizophrenie stehen überwiegend Störungen der Psychomotorik im Vordergrund. Dabei treten sowohl Episoden erhöhter Erregung und Zwangsvorstellungen sowie Stupor (Starrheit) und Negativismus stärker auf. Oftmals werden die Episoden von traumähnlichen und szenenhaften Halluzinationen begleitet.
Undifferenzierte Schizophrenie
Die Kategorie der undifferenzierten Schizophrenie wird von der WHO für jene Formen der Schizophrenie verwendet, in denen die bisher genannten Formen nicht klar herausgestellt werden können. Sie erfüllen zwar den Diagnosebestand der Schizophrenie, lassen sich allerdings mehreren oder schwach ausgeprägten Merkmalen der Unterarten zuordnen.
Postschizophrene Depression
Als postschizophrene Depression wird eine Phase nach einer schizophrenen Episode bezeichnet, die noch markante Symptome der Schizophrenie aufweist. Vor allem depressive Verstimmungen prägen das Bild, während andere Symptome in den Hintergrund treten. Solche Depressionen können allerdings das Suizidrisiko des Patienten erhöhen.
Schizophrenes Residuum
Als schizophrenes Residuum wird eine Phase der Erkrankung bezeichnet, bei der eine starke Verschlechterung gegenüber früheren Episoden eintritt. Sie ist ein Hinweis auf eine chronische Schizophrenie und ist durch längere Phasen negativer Symptome wie fehlender Aktivität, Sprachdesorganisation sowie anderen bereits genannten Faktoren charakterisiert.
Schizophrenia simplex
Die Schizophrenia simplex bezeichnet eine Störung, die mit langsamer Entwicklung von Veränderungen des Verhaltens sowie sozialer Kompetenz einhergeht. Zudem ist die Leistungsfähigkeit des Patienten vermindert. Allerdings zeigen sich bei der Schizophrenia simplex vor der Phase des schizophrenen Residuums keine vorhergehenden, psychotischen Symptome, was die Diagnose erschwert.
Wichtig bei jeder Form der Schizophrenie ist es, beim Eintreten der ersten Symptome schnellstmöglich einen behandelnden Facharzt aufzusuchen. Nur mit der richtigen Therapie, die von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann, lassen sich stärkere Episoden vermeiden und eine Remission der Erkrankung verwirklichen.