Regelmäßig setzt eine Magen-Darm-Grippe einen Teil unserer Kleinstadt außer Gefecht. Jetzt ist es wieder soweit und ich habe schon viele Patienten krankgeschrieben. Wieder einmal schleppt sich so ein blasser Zeitgenosse in mein Sprechzimmer. „Mir ist schlecht“, stöhnt er, und seine blasse Hautfarbe unterstreicht das eindrucksvoll. „Das haben ja jetzt alle“, bemerkt er, als er sich vorsichtig hinsetzt. „Nur ich habe keinen Durchfall dabei. Da kann ich ja noch einmal von Glück sagen! Aber Fieber habe ich, anders als meine Frau vor einer Woche“ . Ich sehe ihn etwas irritiert an. „Haben Sie Bauchschmerzen?“ frage ich ihn. Er nickt. „Sieht man mir das denn an?“, fragt er erstaunt. Das ist sehr offensichtlich, und ich bitte ihn nun, auf die Liege zu wechseln. Seine Beschwerden sind untypisch für den grassierenden Infekt. Mit dem Stethoskop lausche ich nach den Darmgeräuschen. Es gluckert und arbeitet nicht wie bei den anderen Patienten, sondern es herrscht fast Ruhe im Bauch. Schon das Aufsetzen des Stethoskopes ist meinem Patienten unangenehm. Sanft taste ich nun den Bauch ab. Er ist weich, aber überall schmerzempfindlich. Den rechten Unterbauch darf ich gar nicht eindrücken. „Aua!“, protestiert der junge Mann. Ich entschuldige mich, aber drücke noch einmal die linke Seite. Das geht besser. Nun lasse ich plötzlich los, was wieder mit einem Schmerzenslaut quittiert wird. „Das hat auch wehgetan?“, versichere ich mich. Das hat es, aber der Schmerz entstand eher auf der rechten Seite. Jetzt bin ich mir sicher.
Einweisung ins Krankenhaus
„Sie haben nicht den Infekt, den alle haben“, eröffne ich meinem Patienten. „Bei Ihnen ist es etwas ernster. Es sieht aus, als sei der Blinddarm entzündet, darum weise ich Sie ins Krankenhaus ein!“. Seinen Protest wehre ich ab. Ich zeichne den Wurmfortsatz , dünn wie mein kleiner Finger, auf einen Zettel. „Wenn der platzt, haben Sie den Darminhalt im Bauchraum!“, sage ich drastisch. „Das ist lebensgefährlich, Sie bleiben zwei Wochen im Krankenhaus und kommen mit einer großen Narbe zurück“. Jetzt wird er schon nach einigen Tagen entlassen werden. „Muss man nicht noch Blut abnehmen?“, fragt er. Das wäre zwar hilfreich, aber das Ergebnis hätte ich erst am nächsten Tag. „Das wird man im Krankenhaus tun, da geht es schneller“, erkläre ich. „Die Verdachtsdiagnose ist auch jetzt eindeutig“. Seine Frau nimmt ihren fassungslosen Mann im Wartezimmer in den Arm. Sie hat längst gespürt, dass er mehr als nur einen Infekt hat!